Kunst am Bau

Kunst am Bau von "Harald F. Müller"

Der renommierte Künstler Harald F. Müller hat mit seinem Werk zur finalen Gestalt des BSZ-Radolfzell beigetragen. Nun erläutert Harald F. Müller, welche Farbkonzeption er dem Werk zugrunde gelegt hat.

Im Neubau des Berufsschulzentrums Radolfzell verbindet sich der Farbentwurf mit der
Architektur und fokussiert die Nutzer. Wo junge Menschen ihre Ausbildung absolvieren, sich
Fachwissen aneignen, wurden sehr helle und freundliche Farben gewählt, die kräftig leuchtend
starke Akzente in die großzügige, klar konturierte und lichtvoll konzipierte Architektur setzen. Die farbigen Setzungen an wenigen Stellen sind wohldosierte Eingriffe, nicht schreiend bunt
dominierend, sondern subtil charakterisierend, die den Nutzer positiv einstimmen.

 
 

Die das Gebäude tragenden Stützen hinter der großflächig verglasten Fassade werden farbig
hervorgehoben. Besonders an sonnigen Tagen und durch die Innenbeleuchtung blitzen die
Farben der statisch notwendigen Pfeiler in rhythmischen Abständen auf und schreiben den
Fassaden ein fröhliches Farbenspiel ein. Im Inneren der Gebäude sind funktionale Elemente wie
Treppenaufgänge und Aufenthaltsbereiche zu markanten Farbräumen gestaltet, in denen
akzentuierend gesetzte Farbflächen ihre Wirkung entfalten. (Besonders eindrücklich zeigt sich
das in dem langen Gang zu den Umkleidekabinen bei der Sporthalle. Gerade bei Dunkelheit
leuchten die im Kunstlicht gelegenen Sitzbänke nach außen und markieren Anfangs- und
Endpunkt dieses langen Ganges.) Farbe zeigt ihre Kraft hier zeitlos und ruhig in einfachen
monochromen Flächen, die auf modische, karikative oder realistische Motive souverän
verzichten können.

Architekturbezogene Farbkonzeptionen sind weit über die dekorative Aspekte hinaus wirksam,
wenn das Zusammenspiel von Farbe und Bau neu definiert wird. Wie auch in der
Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro Gigon/Guyer für den Beitrag zur Architekturbiennale
2012, für die Universität Paris-Saclay 2017, das Google Headquarter in Zürich 2012 und die
kontinuierliche Kollaboration bei Neubauten der Universität Stuttgart seit 2003, erst jüngst im
Bundes-Höchstleistungsrechenzentrum, ersichtlich, ist es für meine Farbkonzepte entscheidend,
nicht nur den Bau, sondern auch den Nutzer im Blick zu haben. Farbe wird nicht als additive
Setzung platziert, sondern gestaltet den Raum und seine Wirkung am fruchtbarsten durch
Abstimmung mit Bauherrn und Architekten schon in der Planungsphase.

Meine Farbkonzepte sind in zweierlei Hinsicht offen. Sie berücksichtigen die Ideen und
Wünsche von Architekten und Bauherren sowie die Bedürfnisse der künftigen Nutzer. Und sie
sind keine starre Setzung, sondern für Weiterentwicklungen offen. So können sie auf künftige
Gebäudeteile erweitert werden, um verschiedene Bauabschnitte konzeptionell zu verbinden,
oder auch Kunstwerke integrieren. Das für Bau wie Nutzer so wichtige Prinzip der
Zukunftsfähigkeit und Veränderbarkeit ist den Farbkonzeptionen damit inhärent.

Im Fall der Berufsschule ist vorgesehen, die Nutzer in die bereits angelegte Erweiterung der
Farbkonzeption einzubeziehen: Da hier auch Maler ausgebildet werden, lade ich Schüler mit
ihren Lehrkräften in meine Atelierhalle ein, wo wir beispielhafte Referenzprojekte betrachten,
das Konzept der Farbgestaltung an dieser Schule besprechen und in einem gemeinsamen
Prozess dahingehend weiterentwickeln werden, dass auch die Rückwände der Klassenräume
mit einbezogen werden. Dabei wird es einerseits darum gehen, die Konzeption der farbigen
Gestaltung nachzuvollziehen und dies anschließend in eine gemeinsam erarbeitete
Fortsetzungskonzeption umzusetzen. Die prozessorientierte Kooperation mit Architekten, die
meinen Farbkonzepten meist zugrundeliegt, wird so auf die Nutzer gespiegelt, wodurch die Trias Kunst – Architektur – Nutzer vereint wird.

– Harald F. Müller, 10.10.2017